Monday, May 30, 2011

Muselmanen im Bermudazweieck

Leise rieselt der Matheschnee, kurze Stürme der Entrüstung fegen über mein Dach hinweg, kindliche Ungläubigkeit über die mathematische Welt, die Ungeduld der Lehrer schreit nach leisem Rieseln und versucht Mathehäuser zu bauen, wo der Sturm ein Überleben unmöglich macht. Diese Pioniere der Erziehung, was bezwecken sie mit ihrem unnachgiebigen Streben in den Eiswüsten des Verstandes, bauen wackelige Strohhütten, deren Bewohner ängstlich zitternd auf die nächste Katastrophe warten.
Dann: der Sturm legt sich. Schreiend, jubelnd reißen die Familien die Türen ihrer Häuser beinah aus den Angeln, straucheln, rennend, in den tiefen Schnee, in dem sie untergehen wie Kinder in Schwimmbecken voller schlechter Metaphern, tauchen wieder auf, fanatisches Leuchten in den Augen, Arme in die Luft, es wird herumgewirbelt, -geschmissen, -geschubst, Arme ausgerenkt, Bälle geworfen, Steine, Ziegel, Balken, die Menschen müssen sich jetzt in Acht nehmen wollen sie Verletzungen vermeiden, sie fragen den Arzt oder Apotheker, sie ducken sich hinter selbstgebaute Schneeburgen, die ersten Gewehre finden sich unversehens und doch vorhersehbar in den Händen ihrer erregten Besitzer wieder, Rufe erschallen, "Freund oder Feind?", Kinder und Frauen suchen Schutz in den Häusern, die Sonne scheint, und beim ersten Schuss fliegen die Vogelscharen auf, die sich auf den Menschen niedergelassen haben, die Hunde bellen, jaulen, die Schwänze eingezogen, ein Freudenfeuerwerk brennt irgendwo weiter hinten im Dorf ab, ein Verwundeter reißt sich die Pelzmütze vom Kopf, sich vor Schmerzen auf dem Boden wälzend, sein Blut färbt den Schnee, seine Augen rot, die Augen der Menschen werden rot, die Augen der Hunde, die Augen der Pferde, die Pferde werden scheu und reißen aus, den teueren Schlitten mit der feinen Frau Gräfin zurücklassend, dann bricht wieder der Schneesturm los, noch wird versucht den Verwundeten in eine der nahegelegenen Hütten zu transportieren, verzweifeltes Klopfen, Hämmern an der Tür, die aber geschlossen bleibt, aus Angst, aus Parteilichkeit, aus Liebe oder aus Ekel, es ist nicht klar, es gibt sich doch sowieso die Hand, die Träger lassen, in Panik geraten, den Verwundeten zurück, der, noch auf den Boden gleitend, bittend ängstlich flehend die Hände hebt um Hilfe, um sein Leben, um Barmherzigkeit, um Liebe, um Gerechtigkeit und um eine gottverdammte zärtliche Hand die sein Haar streicht wenn er schon auf diese Weise, schwach und hilflos, verrecken muss, doch die Träger nehmen, nicht zurückblickend, Reißaus, laufen, einer schafft es in seine Hütte zu seiner Familie, er ist in Sicherheit, der andere wird von den ersten Ausläufern des Sturmes erfasst, die Sicht verschwimmt ihm, er spürt seine Kräfte schwinden, irrt durch die Dunkelheit und dann hebt ihn eine starke Böe in die Luft und trägt ihn fort fort fort, um ihm noch in den letzten Sekunden ins Gesicht zu lachen, wie um ihm zu sagen, dass nur die Natur in der Lage ist zu tragen, und nicht der Mensch, der keine Natur mehr hat, der hinfortgeweht wird von den Sturmwehen, ohne Schutz ohne Verstand und dann gibt es da ja noch Pasta Forno, Honigmelone, Artischocken mit Käse gefüllt, Fisch mit Fenchel gebraten und Tiramisu..und nur das Pfeifen des Windes bleibt übrig..